Prägetechnik
Seit der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts versuchte man die veraltete händische Hammerprägung durch eine maschinelle zu ersetzen. Der Grund dafür lag sicher im riesigen Angebot an Silber im Gefolge der neu entdeckten Silbervorkommen in Europa und in Übersee. Als der Bedarf an neuen Talern durch die händische Prägung nur mehr unter größten Anstrengungen gedeckt werden konnte und gleichzeitig die Prägekosten immer stärker anstiegen, wollte man die Prägung durch den Einsatz von Maschinen rationalisieren und verbilligen. Erste Versuche sind interessanterweise nicht in Hall, sondern in Trient unter Bernhard von Cles nachweisbar. Der Augsburger Erfinder Peter Luna sollte Prägemaschinen ähnlich einem Streckwerk liefern, das Projekt kam jedoch nie zustande.
Den ersten Anlauf zum Einsatz von Münzprägemaschinen in Hall kann man im Jahre 1550/51 feststellen. Zu dieser Zeit hatten spanische Erfinder anlässlich des Reichstages Ferdinand ihre Prägemaschinen angeboten. Die besten Fachleute der Haller Münzstätte wurden nach Augsburg zur Begutachtung beordert, doch ihr Urteil muss vernichtend gewesen sein, denn in der Folgezeit hört man kein Wort mehr von der spanischen Erfindung.
Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist eine Affäre, die sich zur gleichen Zeit in Augsburg abspielte.
Der Augsburger Erfinder Max Schwob hatte eine Wassergetriebene Prägemaschine entwickelt, die auf Vermittlung des französischen Gesandten nach Paris gelangte und dort in der „Monnaie de Moulin“ aufgestellt wurde.
Ein französischer Münzarbeiter kopierte das System, verkaufte es der englischen Krone und stellte seine Maschine in London auf. Da er sie aber nicht in Gang bringen konnte, wurde er wegen Betruges angeklagt, verurtelt und gehängt.
Ein ähnliches, wenn auch nicht ganz so hartes Schicksal ereilte den Erfinder Kaspar Seller, der 1558 seine Prägemachine in Wien Ferdinand vorführen wollte. Schließlich ging er aber nach London, unterbreitete seine Erfindung, installierte seine Maschinen und hatte wie der französische Münzarbeiter nur Rückschläge. Aus Verzweiflung stürzte er sich in selbstmörderischer Absicht in die Themse, wurde aber gerettet um den Rest seines Lebens im Tower in London zu verbringen.
Der vierte Erfinder war schließlich Jacob Stampfer, der seit 1561 Münzmeister in Zürich war und dort seine Maschinen mit großem Erfolg eingesetzt hatte. 1563 wurde eine solche nach Hall gebracht, wo sie die verantwortlichen Beamten aber keineswegs zu überzeugen vermochte. Sie schien ihnen zu reparaturanfällig. Stampfer zog sich daraufhin zurück und konnte seine Maschinen Egnolf von Rappoltstein, einem elsässischen Bergwerksunternehmer, verkaufen.
Der nächste Erfinder, der mit Ferdinand Kontakt aufnahm, war Rudolf von Rohrdorf, der aus dem Bodenseeraum stammte. Ferdinand ließ ihm einen Vertrag unterbreiten, wonach er bei geglückter Einführung der maschinellen Prägung in Hall eine hohe Belohnung und ein Privileg zum alleinigen Vertrieb solchen Maschinen erhalten hätte sollen.
1564 traf auch tatsächlich Rohrdorfs Maschine in Tirol ein und wurde in der Hofmühle in Innsbruck aufgestellt.
Schließlich musste man aber den Standort wegen mangelnder Wasserkraft wechseln. In Mühlau bei Innsbruck
hatte man dafür die besten Voraussetzungen. Da Rohrdorfs Mitarbeiter aber auch dort die Maschine nicht in Gang brachten, sollte Rohrdorf persönlich nach Tirol kommen, was er aber ablehnte. Er war nämlich inzwischen mit dem französischen König wegen neuer, von ihm erfundener Geschütze in Verhandlungen getreten. Rohrdorf starb 1570 in Lyon.
In dieser Situation meldete sich 1564 ein weiterer Züricher Erfinder namens Hans Vogler, der einst Mitarbeiter von Jakob Stampfer gewesen war. Unter seiner Leitung wurde in monatelanger Arbeit die Mühlauer Münzstätte soweit funktionsfähig gemacht, dass am 31. Mai 1566 in Anwesenheit hoher Regierungsbeamter die erste Probeprägung erfolgen konnte.
Der eigentliche Initiator einer maschinellen Prägung, Kaiser Ferdinand l., war zu diesem Zeitpunkt bereits fast zwei Jahre tot und Tirol war an seinen Sohn Erzherzog Ferdinand II. übergegangen. Dieser brachte der Erfindung genauso viel Interesse entgegen wie sein Vater, Hans Vogler versäumte natürlich nicht, seinem Auftraggeber in einem überschwänglichen Brief von der geglückten Probeprägung zu berichten und einige neue Taler als "Glückspfennige" - wie er betonte - mitzuschicken. Die Beamten durchschauten Voglers Absichten und berichteten fast gleichzeitig, dass die Probe zwar gut verlaufen, eine serienmäßige Produktion aber nicht zu erwarten sei, und warnten Ferdinand davor, „ dass er Euer Fürstlichen Durchlaucht für ihn und seine Mitarbeiter zum besten rühmen oder künftig noch tun werde“. Auch wenn die Skepsis der Beamten damals noch berechtigt war, so war doch in naher Zukunft mit brauchbaren Ergebnissen zu rechnen. 1567 erhielt Mühlau eine eigene Münzordnung und konnte in den folgenden Jahren eine umfangreiche Prägung aufziehen.
Die neue Prägemethode, auch Walzenprägung genannt, revolutionierte in den kommenden Jahrzehnten nicht nur das Tiroler sondern auch das europäische Münzwesen. War man in Hall bisher in der Lage jährlich etwa 600.000 Münzen zu prägen, so konnte man den Ausstoß nun auf ein vielfaches erhöhen. Dies führte nach wenigen Jahren auch dazu, dass die Hammerprägung völlig aufgegeben und westlich der Burg Hasegg in Hall eine neue Prägestätte errichtet wurde.
Die neue Prägetechnik beruhte darauf, dass durch ein Wasserrad ein System von hölzernen Zahnrädern bewegt wurde, die zwei stählerne Walzen, auf denen die Münzbilder eingraviert waren, zum Rotieren brachten. Auf jeder Walze konnten entweder vier breite Doppeltaler, fünf Taler, sechs Halbtaler oder 7 Vierteltaler eingraviert werden. Zwischen den Stempeln befanden sich Vertiefungen, die das Durchrutschen des Zains, wie der ungeprägte Silberstreifen genannt wurde, verhindern sollten. Mit einem guten Walzenpaar konnte man etwa 50.000 Mark (= ca. 14 t), in Extremfällen bis zu 100.000 Mark (= ca. 28 t) prägen.
Erstmals war also mit den Walzenprägemaschinen die Wasserkraft für die Münzprägung nutzbar gemacht worden.
Aber nicht nur die Prägemaschinen waren wasserbetrieben, auch Nebenaggregate wie Drehbank, Blasbälge für Schmelzöfen, Schmiedehämmer usw. wurden bei dieser Gelegenheit auf Wasserantrieb umgestellt. Das Ergebnis dieser jahrelangen Entwicklungsarbeit war eine damals fast unvorstellbare Produktionssteigerung. Weniger Personal und gleichzeitig höhere Produktivität senkten die Prägekosten beträchtlich. Ein typisch österreichisches Erfinderschicksal ereilte Hans Vogler, dem der endgültige Durchbruch zu verdanken war. Er erhielt zwar das seinerzeit Rohrdorf versprochene Privileg, doch konnte er daraus keinen bleibenden Nutzen ziehen. 1568 verließ Vogler Tirol, weitere Stationen seines Wirkens waren Salzburg, Wien, Elsaß, Konstanz, Kremnitz und schließlich Warschau, wo er im Jahre 1591 völlig verarmt und verbittert starb.
Das Prinzip der Walzenprägung wurde zwar in Hall als großes Geheimnis gehütet, doch konnte es nicht lange verborgen bleiben.
Den technischen Vorsprung der Haller Münzstätte und die Erfahrung seiner dortigen Münzbeamten musste Erzherzog Ferdinand II. aus politischen Gründenauch mit ihm verbündeten bzw. verwandten Herrschern zur Verfügung stellen. Die Haller Münzbeamten waren deshalb in den folgenden Jahrzehnten mit der Errichtung zahlreicher europäischen Münzstätten beschäftigt. Bereits 1577 hatte Ferrara technische Unterstützung bei der Modernisierung seiner Münzstätte erhalten. 1593 war man schließlich Mantua bei der Einführung moderner Prägemethoden behilflich, wobei man sowohl im Falle Ferraras wie auch Mantuas versuchte nicht all zu viel vom technischen Know-how zu verraten.