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Der erste TALER


Die letzte Stufe der Tiroler Münzreform kündigt sich schon in den Versuchen an, mit den Halbguldinerstempeln Dickstücke im doppelten Gewicht, irre Wert eines Rechenguldens zu 60 Kreuzer (1.200 Berner) zu prägen.
Diese Versuche scheiterten aber am ungünstigen Verhältnis Durchmesser zu Dicke des Schrötlings. Trotzdem ist zunächst in der ältesten Literatur diese Halbguldiner des Jahres 1484 als ältester Taler der Welt bezeichnet worden.
Heute ist sich die moderne Wissenschaft einig, dass nicht die Dickstücke des Halbguldiners von 1484, sondern der schliesslich 1486 geprägte Guldiner als der erste Taler der Welt zu gelten hat.

Mit dieser Münze im Wert von 60 Kreuzern hatte man nun ein Äquivalent zum Goldgulden. Und um zu dokumentieren, dass diese neue Münze, die "Guldiner" oder nach ihrem Gewicht "Unzialis" genannt wurde, die bisherigen Goldgulden ersetzen sollte, wählte man auf der Vorderseite auch dieselbe äußere Gestaltung.

Tirol und seine Münzstätte Hall dürfen für sich in Anspruch nehmen, mit der Münzreform der Jahre 1482-1486 ein
Währungssystem geschaffen zu haben, welches letztlich bis zum 19. Jahrhundert bestimmend war. Unmittelbar nach der Reform wurde, wie bereits erwähnt, von anderen europäischen Münzstätten in erster Linie der Sechser nachgeahmt. Doch bald prägten sie auch die Guldiner nach, so z.B. 1488 Lothringen, 1493 Bern, 1498 Sitten, 1499 Ungarn, 1500 Solothurn, 1502 Hessen, 1503 Carmagnola im Piemont, 1504 Salzburg, 1509 Württemberg, 1511 Bremen, 1512 Zürich und 1518 Luzern. Zum endgültigen Durchbruch verhalfen der Großsilbermünze die Münzstätten von Sachsen seit etwa 1500 und von Böhmen ab 1519, sowie nach der Entdeckung Amerikas auch Spanien. Im Laufe der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts vollzogen dann allmählich alle europäischen Länder diese Entwicklung nach.

Warum diese Großsilbermünze in der Folgezeit als 'Taler' bezeichnet wurde, hatte mehrere Gründe.
Im Jahre 1490 übernahm Maximilian I. anstelle von Erzherzog Sigmund die Regierung. Die chaotische Wirtschaftspolitik dieses Kaisers hatte zur Folge, dass die Silberausbeute der Tiroler Bergwerke fast zur Gänze an süddeutsche Handelshäuser zur Finanzierung der Reichspolitik verpfändet werden musste. Zwar wurden für den Herrscher weiterhin wunderschöne Guldiner und Schaumünzen geprägt, die Massenprägung von Münzen als Zahlungsmittel musste aber aus Silbermangel eingestellt werden. Gleichzeitig eröffneten aber die Grafen von Schlick in Böhmen die Münzstätte Joachimstal. Da die Schlick’schen Silbergruben die damals höchste Ausbeute Europas verzeichneten, konnte die Münzstätte Joachimstal über Jahrzehnte eine umfangreiche Talerprägung aufrechterhalten.

Die dort geprägten Guldiner waren die am weitesten in Europa verbreiteten Großsilbermünzen, was dan schließlich zum Wandel der Bezeichnung aller europäischer Großsilbermünzen beitrug. Sie wurden nämlich zunächst „Joachimstaler“ und schließlich verkürzt nur mehr „Taler“ genannt. Um 1540 hatte sich diese Bezeichnung schon allgemein durchgesetzt und lebt heute noch im Wort „Dollar“ weiter. Längst hatte man vergessen, dass der Taler in der Münzstätte Hall in Tirol erfunden worden war. Denn für alle Guldiner oder Taler dieser Zeit galt, dass sie nach dem Tiroler Vorbild ein Rauhgewicht von etwa 30 g, ein Feingewicht von etwa 27 bis 29 g und einen Feingehalt von etwa 930/1000 aufwiesen. Erzherzog Sigmund, unter dessen Regierung seit dem Beginn der Münzreform 1482 bis zu seiner Abdankung 1490 rund 32 Tonnen Silber zu Sechsern, Pfundnern, Halbguldinern und Guldinern vermünzt worden war, gebührt das Verdienst, als erster Herrscher in Europa den Wandel der Wirtschafts- und Finanzstrukturen an der Schwelle zur Neuzeit erkannt und ihm mit der Münzreform entsprochen zu haben.
Nicht zuletzt deshalb erhielt er schon relativ bald nach seinem Tode den Beinamen "der Münzreiche".